Unterwegs notiert:

 

Nun wird also wieder  lebhaft diskutiert über eine erneute  "Wehrdienst-Pflicht", und manche Befürworter fordern sie sogar, nicht nur als Option der eigenen, individuellen Entscheidung ... Ich erinnere mich an meine eigene Wehrdienst-Verweigerung Ende der 70er und daran, dass ich in den 90ern eine Zeit lang  für die Begleitung der "Zivis" im Kirchenkreis zuständig war. ---- Heute las ich den Gegenvorschlag, nämlich anstelle der Verpflichtung zum Wehrdienst  eine verbindliche "Zivildienst-Pflicht" (!) einzuführen. Die Verweigerer müssten dann - andersherum -  ihre Verweigerung begründen und würden als Alternative "zum Bund" geschickt  ...

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"Zeit ist die letzte Währung ... wie gibt man sie aus?" (David Crosby im Interview, 76, beim Filmdreh zu "Remember my name")

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Wolken ... 34 Jahre haben wir innerstädtisch-verbaut in der Mitte des Wupper-Tals gewohnt, in den Garten und auf den Kirchenvorplatz geschaut, aber der Blick nach oben in den Himmel war immer begrenzt, alles blickmäßig eingeengt und limitiert ... In diesen Tagen, nach Dienstende und Umzug, schaue ich immer wieder fasziniert aus meinem kleinen "Arbeitszimmer" oder vom Balkon aus nach draußen, freue mich und staune. ...  Wenn der Himmel nicht wolkenlos-blau oder grau-verhangen ist, fasziniert mich zunehmend der viel offenere Blick auf die wechselnden Wolkenspiele, und ich verliere mich manchmal für viele Momente in dem, was ich sehe. Es ist die augen-blickliche Anschaulichkeit von "Werden und Vergehen" -  unter einem weiten, unendlichen  Himmel *über uns* ...  in den hinein wir "was projizieren"???

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Wir radeln zum Friedhof und stehen vor den Urnengräbern auf dem Wiesenfeld, wo die Vier, die zu Lebzeiten familiär verbunden waren, nun auch hier ganz nah beieinander ihren Platz gefunden haben ... Auch mein Vater (verst. 2023, mit fast 93 Jahren). Seine Grabplatte ist von den Rändern her gras-überwachsen. Ich rupfe das Gras weg und sage: "Komm, ich mach Dir mal den Nacken frei ... Kannste ja nicht haben, wenn es hinten nicht sauber rasiert ist!" ... Und ich höre ein: "Danke, mein Sohn!" :-)

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Dieses "gehypte" Aufeinandertreffen von Trump und Putin !!! :-(  ... Wäre ich ein Karikaturist, sähe ich vor meinem geistigen Auge: In der Mitte ein Stand-Mikro, in das sie gerade gesprochen haben (die Sprechblase bleibt leer) ... Links und rechts gehen sie nun wieder auseinander in entgegengesetzte Richtung ... und aus ihren Allerwertesten entweicht ein übelriechendes ... *Pffff*  ...

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"Hast Du die auch alle gelesen?" fragt unsere Enkelin Anna (gerade in die 2. Grundschul-Klasse gekommen), wenn sie sich in meinem Zimmer umschaut und vor den Regalen mit den vielen Büchern steht. "Nun ja", sage ich, "Viele davon ... Andere nur zum Teil ... je nachdem"!" ... Tatsächlich habe ich in den Monaten vor unserem Aus- und Umzug kistenweise Bücher weggegeben. Aber immer noch sind die Regale voll bis zur Decke. --- In diesen Augusttagen kommt mir ein Buch in die Hand, dass ich vor fast 40 Jahren gekauft habe - und nie richtig und ganz gelesen habe: Die Dietrich-Bonhoeffer-Biografie von Eberhard Bethge (1044 Seiten), ein Standard-Werk über ihn bis heute  ... Ich fange an, es zu lesen, und bin gebannt. In ein paar Wochen möchte ich Anna das Buch zeigen und sagen: "Guck mal, DAS hat der Opi nun tatsächlich auch gelesen!"

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Während ich den Frühstückstisch decke und dann auch beim Frühstück, läuft WDR 5 ... Ein großer Radio-Hörer bin ich nicht, für das Gedudel und die endlos-nervige Werbung des Lokal-Radios bin ich zunehmend 'un-empänglich'. Aber WDR 5 ist gut gemachtes Radio - informativ, interessant, auch unterhaltsam. Schon zum Tagesbeginn empfinde ich: Themen werden transparent und "gut angepackt", nicht überstrapaziert, Infos kommen "auf den Punkt", Interviews werden gut geführt ... die Musik ist auf wohltuende Weise kein Gedudel, weltoffen, entspannt bis beschwingt. Und das "Morgenecho", die "Presseschau", die Nachrichten (auch "aus der Kultur") bringen einen schon zu Tagesbeginn in einen guten Kontakt mit der Welt und dem Weltgetriebe ... Dabei ist es wohl eine Grundsatzentscheidung, ob ich mich zu Tagesbeginn schon drauf einlassen möchte oder noch nicht. Aber es hilft nix, sowenig wie bei der Tageszeitung das Überblättern der ersten Seiten, um lieber gleich zu  "Sport & Unterhaltung" überzugehen.

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" Manche meinen, lechts und rings kann man nicht velwechsern. Werch ein Illtum." ( Ernst Jandl, 100.Geb. am 1.8.25)

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Samstag ... Seit meiner Jugendzeit habe ich die Samstage immer geliebt, mehr als den Sonntag. Vor dem Siebten, dem "Ruhetag", war der Samstag immer verheißungsvoller und erlebnisintensiver ... Es war der Tag mit dem vormittäglichen Stadtbummel, launigen Bücher- und Plattenkäufen, der Bundesliga am Nachmittag, dem Zusammensein und den Unternehmungen mit Freunden, dem Kinobesuch, dem Bowlen, der Kneipe oder der Fete am Abend - immer mit dem guten Gefühl, dass der Montag und Wochenanfang erst wieder übermorgen dran ist ...  Auch heute ist wieder ein Samstag, nun erlebt im Ruhestand und damit relativiert gegenüber all den Jahren mit einer vollen "Arbeitswoche". Nichts steht auf dem Programm, nichts drängt oder will heute erledigt sein ... Ich schaue aus dem Fenster, alles grau und verhangen, es regnet kräftig (was der Natur gut tut) .... aber  das Wetter macht mir/uns keinen "Strich durch die Rechnung", weil heute  nichts für draußen geplant ist ... Während der Regen fällt, habe ich Lust auf Musik. Auch da gibt es für mich sowas wie musikalische "Samstagsstimmungen", in der Regel Jazz ... ich entscheide mich für "WEATHER REPORT" ... und draußen regnet es weiter.

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"Er verwischt mit spielerischer Leichtigkeit die Grenze zwischen Parodie und Wirklichkeit." ;-)) - Aus einem ZEIT-Artikel über das Auftreten des CDU-Politikers Philipp Amthor.

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Eine "Tour-de-Ruhr" mit dem Fahrrad ... vom Essener Norden (Zeche Zollverein) bis nach Gelsenkirchen zur Zeche *Nordstern* ... vom Rhein-Herne-Kanal aus nähern wir uns dem Turm, auf dessen Spitze irgendeine komische Figur steht ... Beim Näherkommen denke ich assoziativ an diese unschöne Skulptur des ehemaligen Bundeskanzlers  aus dem Willy Brandt - Haus in Berlin, naja  .... Nach unserem Ankommen haben wir die Möglichkeit, mit dem Fahrstuhl die 18 Stockwerke des Turms nach oben zu fahren ... eine inoffizielle Führung mitzubekommen ... einen grandiosen Rund-um-Blick auf's Ruhrgebiet zu bekommen ... und die Statue, betitelt mit *HERKULES*, näher zu betrachten - 18 Meter hoch und 23 Tonnen schwer ... Er ist, jawoll, hässlich und  ich denke an unsere noch jungen Enkeltöchter und ihre Figur-Formungen mit Knete - hier nur monumental  ... Als wir zum Fahrstuhl gehen, um wieder nach unten zu fahren, sehen wir ein Schild. Es ist tatsächlich eine "Monumentalplastik" von Prof. Dr. Markus Lüpertz, der auch die W.B.-Plastik "zu verantworten" hat ... ;-))) ... Nicht meins ... und bald sind wir - fahrstuhlabwärts - aus den luftigen Höhen wieder geerdet und gelandet ... und lassen den "Herkules" wieder hinter uns ... Wenn ich demnächst mit Anna und Linda zusammen am Küchentisch knete, sage ich: "Passt auf, ich mache Euch jetzt mal den Herkules!" ... ;-)

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"Die Erdbestattung stirbt aus" ;-) ...  Werbeannonce (für eine Friedwald-Urnen-Beisetzung)  im Netz.

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Harry Rowohlt, dessen Biografie ich gerade lese (... jaja, der *Harry aus der Lindenstraße*), war wohl das, was man in der Literaturwissenschaft einen unzuverlässigen Erzähler nennt. Sein Motto lautete: "Eine gute Geschichte sollte nicht durch ein Übermaß an Faktentreue verdorben werden!" ;-)))

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"Ich liebe Postkarten, sie sind für mich das Vinyl der Grußbotschaften ... So wie ich eben Schallplatten liebe, auch wenn ich Musik streame. Postkarten-Liebe ist keine Entweder-oder-Haltung, die alle digitalen Kurznachrichtenformen stur negiert, sondern eine kleine Kunstform als Bonustrack des Miteinanders." (Karen Köhler in einer Rubrik der ZEIT)

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Albert Camus spricht von der Absurdität und Sinnlosigkeit der Welt und des Daseins, die der Mensch erlebt im "Zusammenprall des menschlichen Rufes mit dem unbegreiflichen Schweigen der Welt." Das Besondere an seiner Philosophie besteht darin, dass er die Forderung erhebt, sich dieser Sinnlosigkeit nicht verneinend und resignativ zu ergeben und in einen Nihilismus zu verfallen, sondern sich der Sinnlosigkeit trotzig zu verweigern, gegen sie zu revoltieren, indem man dem Dasein selber gestaltend Sinn und Erfüllung gibt. Darin - so Camus - kann man sogar zu einem "glücklichen" Menschen werden.

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Trainer am Spielfeldrand, kopfschüttelnd zu einem Vater, der seinem Sprössling zusieht: "Erlösen Sie doch bitte den Kleinen und nehmen Sie ihn aus dem Verein. Er hat nicht das geringste Interesse an Fußball!" - "Was macht sie da so sicher???" - "Er hat mal wieder vergessen, in welcher Mannschaft er spielt!"

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"Manchmal ist der wichtigste Moment im Leben der, der nicht passiert." (aus einem Interview mit einer Therapeutin über Fehltritte, Verfehlungen und Verantwortung)

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Tageszeitungen, Wochenzeitungen ... über Jahrzehnte gab es im Alltag, am Wochenende und im Urlaub nichts Selbstverständlicheres, als Zeitungen zu kaufen, sie aufzuschlagen und zu lesen, umzublättern, Seiten zu wenden und zu falten - am Esstisch, im Sessel, im Arbeitszimmer. Heute war ich in einer Bahnhofsbuchhandlung und kaufte - nach langer, langer Zeit - mal wieder ein gedrucktes Exemplar, die FAZ-Wochenend-Ausgabe ...  Auf dem PC, Tablett und IPhone zu Hause schauten mich dann die aktuellen E-Paper-Ausgaben von ZEIT und SPIEGEL an ...  und baten ebenso darum, bitte meine Aufmerksamkeit zu bekommen und gelesen zu werden ;-)  ...

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"Doch, wahrlich, es sind nicht ihre Augen, die blind geworden sind - sondern blind geworden sind ihre Herzen." (Sure 22, 47/ Koran)

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Ich lese: "Als Reporter durfte ich mal zwei Tage in einem der Dessauer Meisterhäuser (der damals 'avantgardistischen' BAUHAUS-Architektur) wohnen. Das Haus hatte Oskar Schlemmer für sich und seine Familie gebaut. Von außen sah es cool aus. Aber eines der Kinderzimmer hatte kein Fenster,sondern nur eine Art Sehschlitz direkt unter der Decke. Das andere Kinderzimmer besaß ein Fenster, das aber zur Dachterrasse führte, die von einer nur 70 Zentimeter hohen Brüstung umgeben war. Schlemmer musste sich entscheiden, welches seiner Kinder nie aus dem Fenster schauen darf und welches wahrscheinlich über die Brüstung in den Garten stürzt. Der Heizkörper im Bad hing unter der Decke. Bauhausarchitekten lehnten Bilder an der Wand ab. Der Heizkörper sollte als Ersatz für einen Wandschmuck dienen ..... " Und im nächsten Absatz: "Avantgardismus bedeutet, dass Künstler Dinge tun, die vor ihnen noch nie jemand getan hat. Manches hat aber deshalb noch nie jemand getan, weil es völlig bescheuert ist." ;-)))   (Harald Martenstein. Warum ich für meine Architekturkritik zur Not in den Knast gehen würde)

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An *Gott* glauben, an *Gott* (ver)zweifeln ?  ... Manchmal denke ich, dass Menschen es ohne einen Glauben und ohne eine Beziehung zu *Gott* einfacher haben in dieser Welt. -  Warum? Weil sie möglicherweise (!) viel  'abgeklärter' und nüchterner durch das Leben gehen und auf die Welt schauen können - im Guten wie im Schlechten. Und weil sie  sich eben nicht abarbeiten, nicht  martern und nicht  kirre machen müssen mit der Frage, wie sie das Dunkle, Leidvolle und Absurde mit einer *göttlichen* Wirklichkeit in Einklang bringen können ... Andererseits aber bietet der Glaube an Gott ein Gehaltensein inmitten dieser ambivalenten Welt, einen inneren Frieden, einen Trost und eine Widerstandskraft - gerade IM tiefsten Leid und IM Nichtverstehen ... und eine Geborgenheit im Leben und im Sterben, die "nicht von dieser Welt" ist.

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Die letzten Minuten eines spannenden Fußballspiels - plötzlich setzt der Fernsehton komplett aus. Das Spiel wird zum "Stummfilm", die ganze Geräuschkulisse im Stadion ist weg. Es ist immer noch das gleiche Spiel, das meine Augen verfolgen, und zugleich irgendwie doch  nicht mehr ... es will nicht recht passen, was meine Augen sehen und meine Ohren nicht mehr hören ... Ich denke daran, wie sehr auch Filmmusik in bestimmten Szenen und Handlungsabläufen ihre Wirkung hat und dazugehört  - was wir sehen, wird dramatisch gesteigert, romantisch verklärt, spannungsmäßig gedehnt, besinnlich untermalt ... Nach ein paar Minuten ist der Ton wieder da, die Stadion-Geräuschkulissse, die das Geschehen auf dem Spielfeld ebenfalls wieder "orchestriert" - wie die Musik in einem spannenden Krimi ... Das nächste Tor wird spielentscheidend sein. Und wir Zuschauer sind wieder "richtig auf Sendung" ....

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"Die Frage, die uns letztlich retten wird, lautet nicht: 'Wie unterscheiden wir uns?', sondern: 'Wo sind wir uns ähnlich?'" (Mel Ash. Das ZEN der Gesundung)

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"Und weiter verlaufe ich mich im Wald der Fragen und Widersprüche. Also lebe ich noch." (Kurt Marti. Heilige Vergänglichkeit. Spätsätze)

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wird fortgesetzt


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