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MIS-TER CI-TY P'LICE-MAN

Irgendwann, am Tag, in der Nacht, war der Take fertig.

Am 27. September 1967.

Knopfdruck, Bandstop, Regler runter. Nach all dem Gepuzzle. Damals, in den Abbey Road Studios, unter der Regie von Sir George Martin.

Keine Ahnung, wo und wie die Fab Four in diesem Augenblick dabei und unterwegs waren.

Am 8. Dezember jedenfalls kam das Ding raus.

Und landete weltweit auf den Plattentellern.

Eigentlich waren seine Cousinen schuld.

Ein paar Jahre älter als er, im besten Mädelsalter, was damals hieß, wöchentlich bedient mit einer neuen BRAVO, vom Taschengeld am Kiosk erstanden, aufgeregt durchgeblättert, die Zimmerwände in der Folgezeit bestückt mit bunten Postern, ausgeschnittenen Bildchen und, natürlich, mit diesem oder jenem BRAVO-Starschnitt.

Winnetou in Lebensgröße, Elvis, die Monkeys, Roy Black – keine Ahnung.

Das Geschenk, das er in die Hände bekam, hatte er jedenfalls von ihnen – zwei Singles, und auf der bunten Hülle die Vier aus Liverpool, verkleidet, in buntem Konfetti- und Regenbogendesign, irgendwie abgedreht, und ein Bus, der „Magische, mysteriöse Bus“.

All das sagte ihm nichts, machte ihn aber neugierig, und ein bisschen stolz, ein bisschen anerkannt.

Er war Neun damals.

Und sass nun auf dem Teppich im elterlichen Wohnzimmer, vor der Regalwand mit Büchern, einem eingebauten Holzschränkchen, einer Ablage für HÖRZU und Tageszeitung, einem weissen Nordmende-Radio und einem kleinen, unscheinbaren Plattenspieler.

Daneben, wie oft hatte er sie schon zur Hand genommen, und mal reingehört, eine Handvoll Schallplatten, Langspielplatten, 33 Umdrehungen, wenn man sie aus der Hülle nahm, auflegte, und den Tonarm auf die Einlaufrille setzte, klang ihm entgegen, was ihn nicht unbedingt begeisterte, Musik halt, nicht die seine.

Ein bisschen Oper, Mozart, Rudolf Schock, die Oberkrainer, Anatevka.

Nur der Milchmann, Tevje, der hatte was, mit seinem „Wenn ich einmal reich wär … ojjoijoi“.

Nun also das.

 

Er holte die beiden Singles heraus , kleine schwarze Vinyls, handtellergroß, die beidseitig berillt Platz boten für je ein Musikstück, hier sogar für zwei pro Seite, deren Titel man lesen konnte auf dem grünen ODEON-Zeichen in der Mitte, das wiederum mittig ein schwarzes, eingeklemmtes Plastikteil in der zwei- finger-breiten besass, dass man auf dem Stift platzierte …

Aufgelegt, mit dem Tonarm bedient, dessen Nadel nun durch die Rillen fuhr, mit leisem verheißungsvollen Rauschen, konnte es beginnen …

Roll up, roll up, roll up for the Magical Mystery Tour, thats an Invitation ...“ Es rollte tasächlich, irgendwie, wie ein Zug, dazu Gesang, Bläser, der schleppend-treibende Beat.

Dann kam ein Song – schöne Melodie, typisch Macka, weiss er heute, mit Orgel und Chor … „Sing it again, dadadada … Your Mother should know.“

Dann – auf der zweiten Scheibe – Vier gleiche, getaktete Klavierakkorde, Blockflöte … „Day after Day, alone on a Hill ...“ … ein Narr auf dem Hügel, Fool on the Hill, er konnte ja noch kein Englisch, das kam erst im Folgejahr, nach der Umschulung aufs Gym.

Dazwischen aber, auf der B-Seite der ersten Scheibe, war das Stück, DAS Stück, die Offenbarung, die Tür.

Er verstand, wie schon gesagt, die Sprache nicht, die seine Ohren erreichte.

I am he as you are he as you are me and we are all together

see how they run like pigs from a gun, see how they fly

I'm crying ..

Er hörte, verstand nicht, wurde hineingezogen in etwas …

Sitting on a cornflake, waiting for the van to come

I'm the Eggman, they are the eggman, I'm the Walrus

Goo Goo g'joob …

Und weiter ging es, alle Irritation wurde zur puren Magie, alles Nichtverstehen aufgesogen in einen Strom, in den er nun eintauchte, und mit dem er schwamm …

Cellos streichen, ein Hihi hahaha, ein Klingelton, mitten im Stück eine Unterbrechung und ein neuer Aufschwung.

Semolina pilchard, climbing up the Eiffel Tower

Elementry pinguin singing hari Krishna

Man, you should have seen them

kicking Edgar Allen Poe

Und nochmal der Eggman … Goo Goo g'joob

Bis das Stück zum Schluss hin immer weiter scheinbar entgleist, zum Strudel wird, mit disharmonischen Drehungen, Überblendungen, Soundschnipseln …

Schließlich die Stimmfragmente im allmählichen Fading Out

Bury my Body

Sit you down father rest you …

4 Minuten und 33 Sekunden.

Danach Stille.

Und John Cage lässt grüßen.

 

Was war das?

WAS um Gottes Willen war DAS?

 

Der Neunjährige war gerade durch eine Tür gegangen.

In ein Universum gefallen.

Auf dem Teppich im elterlichen Wohnzimmer, 1967.

Vor dem Lautsprecher eines Nordmende-Radios.

Und es hatte ihn Lichtjahre weitergebeamt, weit hinaus über all das, was die anderen Schallplatten, die da standen, zu bieten hatten.

Weit hinaus auch über das kleine, jüdische Stedtl, in dem Tevje davon träumte, einmal reich zu sein.

Jetzt gerade, war der Neunjährige reich geworden.

 


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